Museen und Outreach
Outreach als strategisches Diversity-Instrument
von Ivana Scharf, Dagmar Wunderlich und Julia Heisig
Münster 2018. 138 Seiten.
ISBN 978-3-8309-3687-9 Print, 34,90 Euro
ISBN 978-3-8309-8687-4 PDF, 30,99 Euro
(md) Der Hintergrund für „Outreach“ im Museumssektor wurde bereits vielfach beschrieben und diskutiert: Museen können sich dem rapiden Wandel in der Gesellschaft nicht verschließen und stehen vor vielen Herausforderungen. Demografischer Wandel, Digitalisierung, Migration und Vielfalt, Open Access – mit solchen Schlagworten formuliert die Gesellschaft Ansprüche an die traditionelle Institution Museum. Museumsleute bzw. externe Berater beschäftigen sich seit vielen Jahren mit möglichen Reaktionen: Konzepte von Publikumsorientierung, Audience Development, Partizipation oder Inklusion sollen die Museumsarbeit stärker auf die Bedürfnisse vielfältiger Zielgruppen hin ausrichten.
Die Autorinnen des vorliegenden Bandes fügen diesen Konzepten nun noch „Outreach“ hinzu, was sie als den umfassendsten Ansatz verstanden wissen wollen. Museen, die auf Outreach = Reichweite zielen, entwickeln Angebote für Bevölkerungsgruppen, die bislang nicht zu den Besuchern zählen. Sie befassen sich mit deren sozialer Umwelt und Problemen und verlassen dazu auch die angestammten musealen Räumlichkeiten. Im Gegensatz zur „aufsuchenden Kulturarbeit“ soll hier auf Augenhöhe mit den neuen Zielgruppen und auf der Basis von langfristigen Kooperationen agiert werden. Außerdem müsse die gesamte Kulturinstitution für Outreach einen Veränderungsprozess durchlaufen.
Fallbeispiele des Outreach von Museen
Ähnlich wie beim Ansatz des Audience Development sind bei Outreach die angelsächsischen Länder Namensgeber und Vorreiter. Nach einem kurzen Abriss der historischen Entwicklung werden Fallbeispiele von Outreach-Projekten präsentiert. Als eindrucksvolles Beispiel für „School Outreach“ dient die mobile Wanderausstellung des Jüdischen Museums Berlin, die seit Jahren Schulen in der gesamten Bundesrepublik besucht und dort Workshops mit jeweils regionalem Bezug durchführt.
Ein Vorzeigeprojekt im Bereich „Community Outreach“ sind die partizipativen Ausstellungen des Historischen Museums Frankfurt unter dem Titel „Stadtlabor unterwegs“, in der Museumsleute zusammen mit den Bürgern ihren Stadtteil erforschen. Im Bereich „Digital Outreach“ wird das Projekt „The Wall“ des Museum of Copenhagen vorgestellt, bei dem ein mobilder Riesen-Touch-Screen in verschiedenen Stadtteilen die Bürger zur Interaktion eingeladen hat.
Das Buch schließt mit Empfehlungen für Museen, die einen Outreach-Prozess durchlaufen möchten. Zudem formuliert es Forderungen an die Politik, die den Museen die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen soll. Hierzu zählt zuerst eine staatlich geförderte Kulturpublikumsforschung nach britischem Vorbild. Für die Museen in der Bundesrepublik besteht ja tatsächlich ein fundamentales Defizit im Hinblick auf Daten zu ihren Besuchern, das auch diese Publikation wieder aufzeigt.
Fazit
So anschaulich und eindringlich die Autorinnen das Konzept „Outreach“ als gewinnbringend für Museen und Gesellschaft beschreiben, so wenig optimistisch bleiben die Lesenden zurück. Denn wieder sind es dieselben Leuchtturm-Museen, die in solchen Publikationen hervorgehoben werden. Wieder enden die Ausführungen mit Wunschdenken. Wenn in deutschen Museen noch nicht einmal eine kontinuierliche Besucherforschung zum Standard gehört und der Bereich der Vermittlung häufig unterbesetzt und nachrangig bleibt, wird sich Outreach, Audience Development, Diversity oder Inklusion in der Breite bestenfalls auf einzelne Projekte oder begrenzte Maßnahmen beschränken. Der allumfassende Wandel der Organisationskultur bleibt in weiter Ferne.
Was alles hält Museen konkret davon ab, sich im Dienste der Gesellschaft neu zu definieren? Mit einer solchen Bestandaufnahme, die systematisch, analytisch und flächendeckend sein müsste, wäre zunächst einmal anzusetzen.